Wie kann ich mir Gott vorstellen, wenn ich bete?

Leon und Jules
13.08.2014 - 14:40

Hallo Leon und Jules. Jede Religion hat ihr eigenes "Bild" von Gott. Manchmal ist es unsichtbar. Aber immer kannst du es in deinem Herzen fühlen.

Die Antwort der Jüdinnen und Juden

Nach dem Glauben der Jüdinnen und Juden hat Gott keinen Körper. Daher stellen sie sich Gott nicht leibhaftig vor. Das ist oft schwierig. Daher beschreibt ihre Bibel Gott in vielen Bildern und Rollen. Sie sollen den Menschen das Gespräch mit Gott in vielen Situationen erleichtern.
Zum Beispiel stellen sich Jüdinnen und Juden Gott im Gebet als vorbildlichen Vater vor, oder als tröstende Mutter, als guten Hirten und Wegweiser zu saftigen Wiesen. Gott ist für Jüdinnen und Juden aber auch ein helles Licht in der Dunkelheit oder ein starker Fels, auf dem man sicher stehen und einen fantastischen Ausblick genießen kann. Alles ist möglich. Wichtig ist Jüdinnen und Juden dabei zu wissen, dass Gott immer noch viel mehr ist als das eine Bild und dass er die Menschen liebt und ihnen helfen möchte, wenn sie zu ihm beten.
 

Die Antwort der Christinnen und Christen

Niemand weiß genau, wie Gott aussieht. Daher stellt sich jede Christin und jeder Christ Gott auf seine eigene Weise vor. Ein Bilderverbot gibt es bei ihnen nicht. Diese Freiheit ist für sie knifflig und zugleich hilfreich, denn so sind ihrer Fantasie keine Grenzen gesetzt:
Manche Christinnen und Christen stellen sich Gott als Vater vor, weil er in der Bibel an manchen Stellen so beschrieben wird. Andere haben Gott als Wolke vor Augen. Sie erinnern sich an eine andere Bibelstelle. Darin hat Gott einmal in der Gestalt einer Wolke das Volk Israel aus der Gefangenschaft in Ägypten gerettet. Wieder andere Christinnen und Christen stellen sich Gott überhaupt nicht vor. Als Christin oder Christ kannst du dir Gott also so vorstellen, wie du ihn vielleicht schon einmal selbst erlebt hast oder wie ihn andere beschreiben – zum Beispiel in der Bibel.
 

Die Antwort der Musliminnen und Muslime

Auch nach den Vorstellungen der Musliminnen und Muslime hat Gott keinen Körper. Er ist für Menschen nicht sichtbar wie Lebewesen oder Dinge, sondern anders als alles, was Menschen wahrnehmen können. Daher gibt es im Islam auch ein Bilderverbot. Das Leben des Propheten Muhammad und der Koran geben Musliminnen und Muslimen aber viele Hinweise, wie sie Allah im Gebet und auch sonst spüren können. Laut Überlieferung hat Muhammad den Menschen geraten so zu Gott zu beten, als könnten sie ihn sehen.
Musliminnen und Muslime sagen:
„Denn Allah sieht dich immer, jeden einzelnen von uns. Er kennt alle deine kleinen und großen Freuden und Sorgen. Wenn du mit Ihm im Gebet sprichst, dich bei Ihm bedankst oder Ihn um Hilfe bittest, dann kennt er dich und dein Anliegen schon ganz genau, und freut sich darüber, dass du dich Ihm durch dein Gebet nähern möchtest.“
Ähnlich wie in der jüdischen Bibel findest du auch im Koran viele Beschreibungen von Gott. Der Koran ist für Musliminnen und Muslime das Wort Gottes. Im Koran spricht Gott von sich auch oft in Gleichnissen, zum Beispiel als das Licht der Himmel und der Erde (Sure 20, Vers 36) und auch wie nahe Er den Menschen ist, nämlich „näher als unsere Halsschlagader“ (Sure 50, Vers 16). So fühlen sich viele Musliminnen und Muslime beim Gebet Gott sehr nahe und damit sehr geborgen und erhört.
 

Die Antwort der Hindus

Hindus nennen Gott unter anderem auch die Weltseele. Aus ihr ist in den Augen vieler Hindus mit der Schöpfung so unfassbar Großes entstanden, dass Gott selbst für sie größer und unbegreiflicher ist als alles, was sie sich vorstellen können.
Trotzdem helfen ihnen verschiedene Vorstellungen von Gott beim Gebet und bei seiner Verehrung. Zum Beispiel stellen sich Hindus Gott vor als Brahma, den Schöpfer der Welt. Oder als Vishnu, den Erhalter der Welt. Oder als Shiva, den Auflöser der Welt. Andere stellen sich Gott als eine Mutter vor, die Leben spendet und den Menschen vor dem Bösen beschützt.
 

Die Antwort der Bahai

Bahai glauben, dass Menschen gar nicht in der Lage sind, sich Gott vorzustellen. Danach reicht ihre Vorstellungskraft nicht aus, das Wesen Gottes zu erfassen.
Bahai sollen auch gar nicht versuchen, sich Gott vorzustellen. Stattdessen erkennen Bahai in jedem Ding und jedem Lebewesen göttliche Eigenschaften, denn auch nach ihrem Glauben ist alles von Gott erschaffen.
In Bahai-Gebeten beschreiben viele Bilder, wie der Mensch im Gebet mit Gott in Verbindung kommt. Das können Bilder aus der Natur sein:
"Von den duftenden Strömen Deiner Ewigkeit gib mir zu trinken, o mein Gott, und lass mich die Früchte vom Baume Deines Wesens kosten, o meine Hoffnung! ... Lass von den duftenden Winden Deiner Freude einen Hauch über mich wehen, ... den Liedern der Taube Deiner Einzigkeit lass mich lauschen... und durch den Geist Deiner Kraft und Macht belebe mich..." (Gebete 38)
Andere Bilder beschreiben Gott mit menschlichen Eigenschaften und machen deutlich, wie nah der Mensch Gott im Gebet sein kann. Dies sind zwei Beispiele aus Kindergebeten:
"Nähre mich an der Brust Deines Erbarmens, ziehe mich auf am Herzen Deiner Liebe..." (Gebete 171) 
"Gib diesem Säugling Nahrung aus der Brust Deiner Gnade. Behüte ihn in der Wiege Deines sicheren Schutzes und lass ihn in den Armen Deiner zärtlichen Zuneigung gedeihen." (Gebete 167).