Für Alevitinnen und Aleviten gibt es Stätten, denen sie übernatürliche, meist heilende Kräfte zuschreiben. Sie heißen "Adak Yerleri“, "Orte des Gelübdes“. Mit Gelübde ist ein Versprechen gegenüber Hak gemeint. Diese "Orte des Gelübdes“ gelten als heilig. Sie können zum Beispiel ein Grab eines Heiligen sein oder ein Friedhof, eine Quelle, Steine oder Felsen, ein Berg, ein Baum oder ein Wäldchen.
Je nach Anliegen suchen einzelne Personen oder Gruppen einen bestimmten heiligen Ort auf, sprechen dort ein Bittgebet und küssen die Stätte. Zur Erinnerung an ihre Bitten hinterlassen sie Gegenstände: ein Steinchen, einen Fetzen ihrer Kleidung, den sie am Fenstergitter einer Grabstätte oder an einem Baum befestigen, Leinentücher und vieles mehr.
Das Hinterlassen von Dankesgaben an heiligen alevitischen Orten
Auch das Opfern von Nahrungsmitteln, wie das Verstreuen von Bulgur oder das Ausgießen von Milch, ist gebräuchlich. Ein weiterer Brauch ist, von einem heiligen Ort "heilende Erde" mitzunehmen und kleine Mengen davon in Speisen für kranke Menschen zu mischen.
Für manche Anliegen schlachten Alevitinnen und Aleviten am heiligen Ort auch Tiere. In der Regel sind das Lämmer, Schafe und Ziegen, bei ärmeren Bittstellern auch kleinere Tiere wie ein Hahn, Huhn oder anderes Geflügel. Das Fleisch verteilen sie an arme Leute oder die Besucherinnen und Besucher der Heiligenstätte.
So ein besonderes Anliegen ist zum Beispiel
• die Bitte einer Frau, Kinder zu bekommen.
• die Bitte einer kranken Person, gesund zu werden.
• die Bitte für eine gesunde und sichere Heimkehr eines Verwandten von einer Reise oder
• die Bitte um Regen während einer Trockenzeit.
Geht eine Bitte in Erfüllung, wird im folgenden Jahr ein weiteres Tieropfer an der Stätte dargebracht. Früher lebten die Aleviten in den Dörfern eher in ärmeren Verhältnissen. Fleisch war teuer und stand darum nur selten auf dem Speiseplan. Tieropfer waren also etwas Besonderes. Heute ist das nicht mehr so. Statt ein Tier zu schlachten, spenden viele Geld oder nicht-tierische Lebensmittel.
Heilige Orte des Alevitentums als Treffpunkte
Die Heiligenstätten sind aber nicht nur Orte für Bitten und Gebete. Sie sind auch Stätten der Begegnung, des Austauschs miteinander und der gegenseitigen Unterstützung. Alevitinnen und Aleviten, die als Gruppe einen heiligen Ort aufsuchen, halten dort auch manchmal Cem-Zeremonien ab.
Es gibt unzählige Heiligenstätten, die meisten davon liegen in der Türkei. Bekannte Beispiele sind
- der nach Munzur Baba benannte Berg und Fluss,
- der Ort Düzgün Baba,
- das Hızır gewidmete spirituelle Zentrum Hızır Dergahi,
- das Dorf Banaz als Geburtsort des alevitischen Heiligen und Gelehrten Pir Sultan Abdal oder
- die Grabstätten Hacıbektaş Dergahı, Barak Dede Türbesi, Büyük Çeşme Türbesi und Kırklar, das auch die umliegenden Dörfer als Friedhof nutzen.